Immer und überall Musik hören zu können gilt für uns heute als Selbstverständlichkeit. In Zeiten von mp3-Playern, Smartphones und allerlei ähnlichen Gadgets, ist es kaum vorstellbar, dass persönliche tragbare Musik für den größten Teil der Menschheitsgeschichte nicht existierte, zumindest nicht auf irgendeine Mainstream-Art. Erst als ein kleines Gerät auf den Markt kam, der das alles änderte. Der „Walkman“. Der Name klingt eher nach einem notorischen Langstreckenläufer, als nach einem technischen Gerät. Oder nach einer Gehhilfe. Warum hat man einem tragbaren Kassettenspieler nur so einen Namen gegeben? Und wer hat dieses Ding überhaupt erfunden? Versuchen wir es auf einer kleinen Zeitreise, die vor 40 Jahren beginnt, herauszufinden.

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Quelle: YouTube

Die Erfindung des Walkman

Der Walkman erhielt seinen Namen tatsächlich von der Marke Sony. Es war diese japanische Firma, welche die Revolution in den Hörgewohnheiten der Musik anstiess, indem sie etwas konstruierte, das es den Menschen erlaubte, ihre Lieblingsmusik mitzunehmen, egal was sie taten oder wo sie sich befanden. Die Einführung von bespielten Kassetten gegen Ende der 1960er Jahre hatte bereits einen neuen Markt erschlossen. Aber es waren die Designer von Sony, welche die damals klobigen und großen Kassettenspieler erstmals zu einem kleineren, tragbaren Gehäuse mit Kopfhörern zusammenschrumpfen liessen. 

Die Idee war allerdings nicht ganz so neu, wie Sony es gerne darstellt. Schon im Jahr 1977 liess sich ein gewisser Andreas Pavel, ein deutsch-brasilianischer Erfinder, eine tragbare HiFi-Anlage in Italien patentieren. Der Streit zwischen Pavel und Sony zog sich über 16 Jahre hin, bis Sony ihn mit der Zahlung einer hohen Geldsumme beendete.
 
Im Juli 1979 brachte die Sony Corporation den Sony Walkman, einen silber- und blaufarbenen tragbaren Player mit auffälligen Tasten, Ledertasche und Kopfhörer, auf den Markt. Es bot sogar schon einen zusätzlichen Kopfhöreranschluss, damit zwei Personen gleichzeitig Musik hören konnten. Ursprünglich wurde der „Walkman“ in den USA mit dem Namen „Sound-About“ und in Großbritannien mit „Stowaway“ eingeführt. Das Problem dabei bestand jedoch darin, dass Sony für jeden Namen unter dem es in neuen Ländern eingeführt werden sollte, Copyright-Lizenzen zahlen musste. Sony wählte deshalb „Walkman“ als Namen für den weltweiten Vertrieb. Zuerst in Japan veröffentlicht, erwies sich der Walkman als großer Erfolg. Das Unternehmen rechnete mit einem monatlichen Verkauf von 5000 Stück. Tatsächlich verkauften sie in den ersten beiden Monaten mehr als 100 000 Stück.

Kreative Werbung


Sony Walkman, Model WM-F77, Quelle: Flickr

Kurz bevor der Walkman auf den Markt kam, wurde er allerdings erstmal von der Presse zerrissen. Sie hielten einen Kassettenrekorder ohne Rekorder für wertlos. Sony ignorierte die negative Presse und bereitete die Produkteinführung kreativ vor. Sie organisierten eine Bustour mit Journalisten, drückte jedem von ihnen einen Walkman in die Hand und schickte sie in einen Park. Auf der Kassette des Walkman waren die Produkterklärungen. Während die Journalisten nun, jeder für sich, durch den Park schlenderten und den Erklärungen lauschten, führten überall im Park Sony-Angestellte Tätigkeiten mit einem Walkman vor. Die Journalisten konnten sie beim Laufen, Skaten, Radfahren und allerlei anderen Fitnessaktivitäten beobachten. Dieser originelle Werbestil ermöglichte es den Journalisten, die hervorragende Audioqualität und die Flexibilität des Walkmans persönlich erleben. Sie waren beeindruckt von der innovativen Produkteinführung und der Fähigkeit des Produkts, die Menschen überall und jederzeit mit Musik zu unterhalten.

Doch damit nicht genug. Sony bezahlte Angestellte dafür, in öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen, um die Popularität des Walkman zu fördern. Das Unternehmen zielte auf junge Leute ab und stellte daher junge Mitarbeiter bei ein, um durch Tokio zu laufen und Passanten das Produkt kostenlos testen zu lassen. Sony hat sogar junge Stars dazu gebracht, mit ihrem Produkt zu posieren und sich damit in Magazinen abdrucken zu lassen, um die Beliebtheit ihres Produkts zu erhöhen. Dieser kreative Werbestil trug entscheidend zum Erfolg des Walkman bei.

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Sony Walkman Werbung, 1981, Quelle: YouTube

Der Höhepunkt

Im Laufe der 80er Jahre haben dann andere Firmen, wie Toshiba, Panasonic und Aiwa versucht, an dem beginnenden Walkman-Boom teilzuhaben, und 1983 übertraf der Verkauf von Kassetten, dank dem Walkman, erstmals den der Schallplatten. 1986 fand dann das Wort „Walkman“ sogar seinen Platz im berühmten Oxford Dictionary. Glücklicherweise kollabierte seine Erfindung mit dem Beginn der Aerobic-Begeisterung unter den Menschen, und Millionen von ihnen nutzten sie, um sich während des Trainings zu unterhalten. Zwischen den Jahren 1987-97 erreichte die Popularität des Walkman, dank der Aerobic-Welle, seinen Höhepunkt. Nun konnte jeder beim Training seine eigene Lieblingsmusik hören.Sony hat den Walkman aber beständig weiterentwickelt. Neuerungen wie Bass Boost, Radio-Receiver und Auto-Reverse waren feste Bestandteile späterer Modelle. Das Unternehmen führte sogar einen wasserfesten Walkman ein, ein Gerät mit zwei Kassettenrekordern und einem Gerät, das mit Solarenergie betrieben wurde.

Der Ausklang

Doch jeder Stern beginnt irgendwann zu sinken. Ab dem Ende der 80er Jahre begann das Zeitalter tragbarer CD-Spieler, und so wurde der „Discman“, auch aus der Walkman-Reihe, zum Zugpferd des Unternehmens. Die Produktion der Walkman-Reihe wurde im Jahr 2010 endgültig eingestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden 400 Millionen Walkman verkauft, davon 200 Millionen als Kassetten-Walkman.

Die Blütezeit des Walkman ist vielleicht vorbei und die Kinder sind heute verblüfft und amüsiert über die unpraktischen Kassetten. Aber die Angewohnheit, Musik überall und zu jeder Zeit hören zu können, ist größer als je zuvor. Danke, Walkman.